Ich werde oft gefragt, ob es heutzutage überhaupt noch möglich ist, eine Immobilie komplett ohne Eigenkapital zu finanzieren. Und ja – es ist möglich. Aber, und das sage ich gleich vorweg, es ist nicht für jeden die beste Lösung. Ich habe in den letzten Jahren einige Fälle begleitet, wo es sehr gut funktioniert hat – und leider auch ein paar, bei denen es ziemlich schiefging.
Was bedeutet „ohne Eigenkapital“ eigentlich?
Normalerweise verlangen Banken, dass man mindestens 10–20 % des Kaufpreises plus die Nebenkosten (Notar, Grunderwerbsteuer, Makler) selbst aufbringt. Bei einem Kaufpreis von 300.000 Euro wären das schnell mal 60.000 Euro oder mehr.
Bei einer 100%- oder 110%-Finanzierung übernimmt die Bank aber den kompletten Kaufpreis – und manchmal sogar die Kaufnebenkosten. Heißt: Du startest bei null, musst aber ab dem ersten Tag die komplette Schuldenlast tragen.
Warum Banken das trotzdem machen
Die Zinsen für solche Vollfinanzierungen sind fast immer höher, weil das Risiko für die Bank steigt. Sollte die Immobilie an Wert verlieren oder du zahlst nicht mehr, kann die Bank ihr Geld nur schwer wieder reinholen.
Trotzdem gibt es Banken, die das anbieten, weil:
- Sie langfristig an dir verdienen (mehr Zinsen)
- Sie die Immobilie als Sicherheit haben
- Manche gezielt auf jüngere Käufer setzen, die noch kein Eigenkapital haben
Mein eigenes Fazit aus Gesprächen mit Banken
Ich habe festgestellt:
- Wenn du sehr gute Bonität hast (hohes, sicheres Einkommen, keine negativen Schufa-Einträge), dann stehen die Chancen deutlich besser.
- Auch wenn du einen stabilen Beruf hast (Beamte, Ärzte, Ingenieure), sind Banken oft verhandlungsbereiter.
- Ohne gutes Einkommen geht’s fast nur, wenn eine zusätzliche Sicherheit (z. B. Bürgschaft, Zweite Immobilie) vorhanden ist.
Risiko vs. Chance – ehrlich betrachtet
Vorteile:
- Du kannst sofort kaufen, ohne jahrelang zu sparen
- Du sicherst dir eventuell noch günstige Kaufpreise, bevor sie weiter steigen
- Du bleibst flexibel, weil dein Eigenkapital nicht gebunden ist
Nachteile:
- Höhere Zinsen und längere Laufzeit
- Höheres Risiko bei Wertverlust der Immobilie
- Die monatliche Belastung ist deutlich größer
Ein Rechenbeispiel aus der Praxis
Nehmen wir wieder 300.000 Euro Kaufpreis.
Mit 20 % Eigenkapital (60.000 €):
- Kredit: 240.000 €
- Zins: 3,2 %
- Monatliche Rate (2 % Tilgung): ca. 1.040 €
Ohne Eigenkapital (300.000 € Kredit):
- Zins: 3,8 %
- Monatliche Rate (2 % Tilgung): ca. 1.425 €
Unterschied: Jeden Monat 385 € mehr – und das über Jahrzehnte.
Wann ich persönlich „Ja“ sagen würde
Ich würde einen Immobilienkredit ohne Eigenkapital nur in Betracht ziehen, wenn:
- Das Einkommen hoch und langfristig sicher ist
- Die Immobilie in einer wertstabilen oder wachsenden Lage liegt
- Die Zinsen fix über viele Jahre festgeschrieben werden (um das Risiko von Zinsschocks zu minimieren)
- Ein Plan für Sondertilgungen besteht, um die Restschuld schneller zu senken
Mein kleiner Tipp
Wenn du darüber nachdenkst, mach zuerst einen realistischen Haushaltsplan. Setz die Kreditrate etwas höher an, als du denkst – und prüfe, ob du sie trotzdem locker tragen kannst.
Und: Hol dir immer mindestens drei Angebote von verschiedenen Banken. Die Unterschiede können bei 100%-Finanzierungen riesig sein.