Bausparvertrag: Spießiges Relikt oder genialer Zins-Retter? Mein ungeschönter Blick auf den „Deutschen Klassiker“
Wenn ich an Bausparverträge denke, habe ich sofort dieses Bild im Kopf: Ein spießiges Reihenhaus, ein grüner LBS-Aufkleber auf dem Briefkasten und im Fernsehen diese Werbung mit den spießigen Nachbarn.
Lange Zeit war der Bausparvertrag so sexy wie Socken in Sandalen. In der Null-Zins-Phase (erinnert ihr euch noch an 0,8 % Bauzinsen?) hat jeder über Bausparer gelacht. Wozu 1,5 % Zinsen sichern, wenn der Markt fast umsonst Geld verteilt?
Aber: Das Blatt hat sich gewendet.
Seit die Zinsen wieder Achterbahn fahren, rennen die Leute den Bausparkassen (Schwäbisch Hall, Wüstenrot, LBS und wie sie alle heißen) wieder die Bude ein. Die Angst geht um: „Was, wenn die Zinsen bald bei 6 oder 7 Prozent sind?“
Ist der Bausparvertrag also das Comeback des Jahres? Oder verbrennt ihr da nur Geld?
Ich habe mir das Kleingedruckte angesehen und verrate euch, für wen sich das Ding lohnt – und wer lieber die Finger davon lässt.
Wie funktioniert das Ding eigentlich? (Kurz & Knapp)
Für alle, die es nie ganz verstanden haben: Ein Bausparvertrag ist im Grunde eine Wette gegen die Zukunft.
Das Prinzip ist immer gleich und besteht aus drei Phasen:
- Die Ansparphase: Ihr zahlt monatlich Geld ein. Dafür kriegt ihr mickrige Zinsen (aktuell oft nur 0,1 % bis 0,5 %). Euer Geld verliert hier also real an Wert (wegen der Inflation).
- Die Zuteilung: Sobald ihr ca. 40 % bis 50 % der „Bausparsumme“ angespart habt und genug „Bewertungszahl“ (ein komplizierter Punktescore der Kasse) erreicht habt, wird der Vertrag „zuteilungsreif“.
- Die Darlehensphase: Jetzt kriegt ihr euer angespartes Geld zurück PLUS den Rest der Summe als Kredit. Und der Clou: Für diesen Kredit zahlt ihr den Zins, den ihr heute schon festlegt (z.B. 1,5 %).
Beispiel:
Ihr schließt heute einen Vertrag über 100.000 € ab.
- Ihr spart 50.000 € an (dauert z.B. 8 Jahre).
- Dann kriegt ihr 100.000 € ausgezahlt (eure 50k + 50k Kredit).
- Für die 50k Kredit zahlt ihr nur 1,5 % Zinsen, auch wenn der Marktzins dann vielleicht bei 5 % liegt.
Klingt genial, oder? Wo ist der Haken?
Die Kostenfalle: Warum Bausparen teuer ist
Nichts im Leben ist umsonst. Die Sicherheit, die euch die Bausparkasse verkauft, lässt sie sich fürstlich bezahlen. Hier sind die Kostenpunkte, die viele Vertreter gerne unter den Tisch fallen lassen:
1. Die Abschlussgebühr
Das ist der dickste Brocken. Sobald ihr unterschreibt, kassiert die Kasse meistens 1,0 % bis 1,6 % der Bausparsumme.
Bei 100.000 € sind das 1.000 bis 1.600 Euro. Weg. Sofort.
Ihr fangt also nicht bei Null an zu sparen, sondern bei Minus 1.600 Euro. Es dauert oft ein bis zwei Jahre, bis ihr mit euren Sparraten überhaupt dieses Loch gestopft habt.
2. Der Zinsverlust
Während ihr spart, gibt euch die Bausparkasse kaum Zinsen auf euer Guthaben. Wenn ihr das Geld stattdessen auf ein Festgeldkonto legen würdet (wo es aktuell 3 % oder mehr gibt), hättet ihr nach 8 Jahren tausende Euro mehr Gewinn gemacht.
Diesen entgangenen Gewinn müsst ihr als „Kosten“ des Bausparers sehen.
3. Die Kontoführungsgebühr
Ja, auch die gibt es oft noch on top. Kleine Beträge, die sich über 10 Jahre aber auch läppern.
Für wen lohnt es sich trotzdem?
Jetzt habe ich viel gemeckert. Aber ich will fair bleiben: Es gibt Szenarien, wo der Bausparer Gold wert ist.
Szenario A: Die jungen Sparfüchse (Wohnungsbauprämie & Co.)
Wenn ihr jung seid, wenig verdient und noch keine konkreten Baupläne habt, schenkt euch der Staat Geld.
- Wohnungsbauprämie (WoP): 10 % auf eure Einzahlungen (bei Alleinstehenden bis 700 € Sparleistung/Jahr), wenn ihr unter bestimmten Einkommensgrenzen liegt.
- Arbeitnehmersparzulage: Wenn der Chef Vermögenswirksame Leistungen (VL) zahlt.
Durch diese Förderungen wird die miese Verzinsung in der Ansparphase ausgeglichen. Das ist ein netter Startbaustein für Azubis oder Berufseinsteiger.
Szenario B: Die Zins-Wette für Modernisierer
Ihr habt schon ein Haus. Ihr wisst: In 10 Jahren muss das Dach neu und die Heizung raus. Kostenpunkt ca. 50.000 €.
Ihr wollt Planungssicherheit. Ihr wollt genau wissen, was euch der Kredit in 10 Jahren kostet.
Hier ist der Bausparer perfekt. Er ist wie eine Versicherung. Ihr bezahlt die Gebühren dafür, dass ihr ruhig schlafen könnt. Ob es am Ende mathematisch der günstigste Weg war, ist zweitrangig – die Sicherheit zählt.
Szenario C: Das Blankodarlehen (Geheimtipp!)
Das wissen viele nicht: Bauspardarlehen unter 50.000 Euro werden oft ohne Grundbucheintrag vergeben!
Normalerweise kostet ein Grundbucheintrag Geld und Nerven. Bei kleineren Bausparsummen verzichten die Kassen oft darauf, wenn das Einkommen stimmt. Für eine neue Küche oder Solaranlage ist das super unkompliziert.
Ein riesiges Problem: Die „Zuteilung“
Hier bin ich damals fast auf die Nase gefallen.
Viele denken: „Ich schließe den Vertrag über 10 Jahre ab, und pünktlich am 01.01.2035 kriege ich mein Geld.“
Falsch!
Bausparkassen garantieren keinen festen Auszahlungstermin. Die Zuteilung hängt davon ab, wie viele andere Leute gerade einzahlen. Es ist ein Gemeinschafttopf.
Wenn es dumm läuft, braucht ihr das Geld für das Haus, aber die Bausparkasse sagt: „Sorry, Alex, deine Bewertungszahl reicht noch nicht. Warte noch 6 Monate.“
Das kann euch beim Hauskauf das Genick brechen, wenn der Verkäufer nicht warten will.
Deshalb: Bausparverträge sind super für Modernisierungen (die man schieben kann), aber schwierig als fester Baustein für den Kaufzeitpunkt einer Immobilie, wenn dieser noch nicht feststeht. Man kann das zwar zwischenfinanzieren, aber das kostet wieder extra Zinsen.
Rechnen statt Fühlen
Ich habe für meine Hauptfinanzierung keinen Bausparvertrag genutzt. Die Abschlussgebühren waren mir zu hoch und ich war flexibler mit einem Bankdarlehen.Aber: Ich habe jetzt einen kleinen Bausparer („Wohn-Riester“) laufen, um mir günstige Zinsen für die Zeit zu sichern, wenn meine Zinsbindung in 15 Jahren ausläuft.
Meine Checkliste für euch:
- Ignoriert die Geschenke: Lasst euch nicht von dem Rucksack oder dem Tablet ködern, das der Vertreter euch beim Abschluss schenken will.
- Achtet auf die Abschlussgebühr: Gibt es Tarife mit niedrigerer Gebühr? (Manchmal 1,0 % statt 1,6 %).
- Rechnet den „Effektivzins“ ab Zuteilung: Fragt den Berater: „Wenn ich Gebühren und Zinsverlust einrechne – wie hoch ist der Zins für das Darlehen dann wirklich?“ Oft wird aus dem 1,5 % Werbezins dann schnell ein realer 3,5 % Zins.
Der Bausparvertrag ist nicht tot. Er ist nur ein Spezialwerkzeug. Man nimmt keinen Hammer, um eine Schraube reinzudrehen. Und man nimmt keinen Bausparer, wenn man flexibel sein will. Aber um ein Zins-Fundament zu gießen, ist er wieder verdammt interessant geworden.
Im nächsten Artikel wird es handwerklich. Viele von euch fragen mich: „Alex, ich kann doch selbst fliesen und malern. Zählt das als Eigenkapital?“
Wir reden über die Muskelhypothek. Wie viel eure Schweißperlen wert sind und wie ihr der Bank beweist, dass ihr keine zwei linken Hände habt – das erkläre ich euch dann.