Bereitstellungszinsen: Die fiese Kostenfalle, die fast niemand auf dem Schirm hat (und wie du sie umgehst)

24. November 2025  •  Aktuelles

Hand aufs Herz: Wenn ihr an die Kosten beim Hauskauf denkt, was fällt euch da ein?
Klar, der Kaufpreis. Der Notar. Die Grunderwerbsteuer (autsch!). Vielleicht noch die neuen Möbel oder die Renovierung.
Aber es gibt da ein kleines, gemeines Monster, das sich im Kleingedruckten eures Kreditvertrags versteckt und nur darauf wartet, euch hunderte oder gar tausende Euro aus der Tasche zu ziehen, wenn ihr es am wenigsten gebrauchen könnt.
Sein Name: Bereitstellungszinsen.

Ich erinnere mich noch gut an einen Kumpel von mir, nennen wir ihn Stefan. Stefan hat neu gebaut. Bauträger-Insolvenz, Verzögerungen, das volle Programm. Irgendwann rief er mich völlig entgeistert an: „Alex, die Bank bucht mir jeden Monat 400 Euro ab, dabei wohne ich noch gar nicht drin und tilge noch nicht mal richtig! Was ist das denn?!“

Tja, Stefan hatte die Bereitstellungszinsen vergessen. Damit euch das nicht passiert, erkläre ich euch heute ganz genau, was das ist, wie man es berechnet und vor allem: Wie man der Bank ein Schnippchen schlägt.


Was zur Hölle sind Bereitstellungszinsen eigentlich?

Stellt euch vor, ihr geht zum Bäcker und reserviert 100 Brötchen für eine Party in drei Monaten. Der Bäcker legt das Mehl zurück, blockiert seinen Ofen und hält Personal bereit. Aber ihr kommt nicht. Und kommt nicht.
Irgendwann sagt der Bäcker: „Hör mal, das Reservieren kostet mich Geld. Ich will dafür eine Gebühr.“

Genau so denkt die Bank.

Wenn ihr einen Kredit über, sagen wir, 400.000 Euro unterschreibt, dann legt die Bank dieses Geld für euch zur Seite. Ab diesem Moment kann die Bank mit dem Geld nicht mehr arbeiten. Sie kann es keinem anderen leihen.

Wenn ihr jetzt eine Bestandsimmobilie kauft und den Kaufpreis sofort komplett überweist, ist das kein Problem. Das Geld ist weg, der Kredit läuft, alles gut.

Das Problem entsteht beim Neubau oder großen Sanierungen.

Hier ruft ihr das Geld nämlich nicht auf einen Schlag ab, sondern nach Baufortschritt (erst für den Rohbau, dann fürs Dach, dann für die Fenster usw.). Das Geld liegt also monatelang „bereit“ bei der Bank rum. Und dafür verlangt sie irgendwann Zinsen. Das sind die Bereitstellungszinsen.

Und das Fiese ist: Diese Zinsen kommen ZUSÄTZLICH zu euren normalen Kreditzinsen, die ihr auf den schon ausgezahlten Betrag zahlt. Eine echte Doppelbelastung.


Rechenbeispiel: So teuer wird der Spaß

Machen wir es mal konkret, damit ihr ein Gefühl für die Dimensionen bekommt. Banken verlangen meistens 0,25 % pro Monat an Bereitstellungszinsen.

Klingt mickrig? Ist es aber nicht. Das sind 3,0 % im Jahr!

Beispiel-Szenario:

  • Kreditsumme: 300.000 €
  • Davon bereits ausgezahlt (für Grundstück etc.): 100.000 €
  • Noch auf dem Konto der Bank liegend (bereitgestellt): 200.000 €

Jetzt greift die Bereitstellungszinspflicht.

200.000 € x 0,25 % = 500 Euro.
Jeden Monat!

Das sind 500 Euro, die einfach verpuffen. Ihr tilgt damit keinen Cent eurer Schulden. Es ist eine reine Gebühr fürs „Warten“. Wenn sich euer Bau also um 6 Monate verzögert, habt ihr mal eben 3.000 Euro verbrannt. Dafür hätte man eine verdammt schicke Couch bekommen.


Der Trick mit der „Bereitstellungsfreien Zeit“

Jetzt kommt der Part, wo ihr im Bankgespräch glänzen könnt.

Jede Bank gewährt eine gewisse Zeit, in der sie auf diese Strafzinsen verzichtet. Das nennt man die bereitstellungsfreie Zeit.

  • Der Standard: Viele Banken bieten von sich aus 3 bis 6 Monate an. Das reicht bei einem normalen Hauskauf (Bestand), ist aber bei einem Neubau oder einer Kernsanierung viel zu kurz!
  • Das Ziel: Ihr solltet versuchen, mindestens 12 Monate, besser sogar 18 oder 24 Monate bereitstellungsfreie Zeit auszuhandeln.

Ja, das geht! Oft verlangt die Bank dafür einen minimalen Zinsaufschlag auf den eigentlichen Kreditzins (z.B. 0,05 % oder 0,10 %).
Aber rechnet das mal durch:

Es ist fast immer günstiger, diesen winzigen Aufschlag zu zahlen, als später monatelang 500 Euro Bereitstellungszinsen zu blechen. Vor allem in der aktuellen Zeit, wo Handwerker Mangelware sind und Baumaterialien Lieferzeit haben, ist Zeit der wertvollste Faktor.

Mein Tipp aus Erfahrung: Seid pessimistisch bei eurem Zeitplan. Wenn der Architekt sagt „Wir sind in 9 Monaten fertig“, dann plant mit 15 Monaten. Auf dem Bau läuft nie alles glatt. Nie.


Strategie: So drückt ihr die Kosten, wenn es schon zu spät ist

Was aber, wenn ihr den Vertrag schon unterschrieben habt oder die Bank sich bei der bereitstellungsfreien Zeit querstellt? Gibt es noch Rettung?
Ein bisschen was geht immer.

1. Eigene Mittel zuerst einsetzen? Jein.

Normalerweise sagt die Bank: „Erst verbrauchst du dein Eigenkapital, dann kriegst du unser Geld.“

Das ist schlecht für die Bereitstellungszinsen, weil der große Batzen Bank-Geld lange ungenutzt liegen bleibt.
Versucht zu verhandeln, dass das Eigenkapital anteilig oder erst später eingesetzt wird. Das ist schwer durchzukriegen, aber fragen kostet nichts.

2. Schnelle Abrufe nach Baufortschritt

Sobald eine Rechnung vom Handwerker da ist: Sofort zur Bank damit! Lasst Rechnungen nicht wochenlang auf dem Schreibtisch liegen. Jeder Tag, an dem das Geld noch bei der Bank liegt, kostet (nach Ablauf der Frist) Geld. Organisiert euch gut. Ich hatte damals einen extra Ordner „Zahlungsabrufe“, der immer Priorität hatte.

3. Teilauszahlungen bündeln (Vorsicht Gebühren!)

Manche Banken nehmen Gebühren für jede einzelne Teilauszahlung (z.B. 10 oder 20 Euro). Prüft das im Vertrag!Wenn
das der Fall ist, lohnt es sich vielleicht, zwei, drei kleinere Handwerkerrechnungen zu sammeln und zusammen einzureichen. Aber Vorsicht: Nicht so lange sammeln, dass die Bereitstellungszinsen teurer werden als die Auszahlungsgebühr. Das ist ein Rechenexempel.


Verhandeln ist Pflicht!

Die Bereitstellungszinsen sind einer der Punkte, bei denen sich Spreu vom Weizen trennt. Ein guter Kreditvermittler (über die ich ja im letzten Artikel schon gesprochen habe) wird euch automatisch eine lange bereitstellungsfreie Zeit empfehlen, wenn er hört, dass ihr baut.
Eine schlechte Bankberaterin wird vielleicht schweigen und hoffen, dass ihr nach 6 Monaten zahlen müsst.

Achtet im Vergleich also nicht nur auf die große Zahl vor dem Komma (den Sollzins), sondern schaut ins Kleingedruckte:

  • Wie lang ist die bereitstellungsfreie Zeit? (Unter 6 Monate beim Neubau = No-Go!)
  • Wie hoch ist der Bereitstellungszins? (0,25% p.M. ist Standard, alles drüber ist Wucher).

Ich hoffe, euch raucht jetzt nicht der Kopf. Aber glaubt mir, wenn ihr diesen Punkt beachtet, schlaft ihr während der Bauphase deutlich ruhiger.