Was Immobilienanzeigen wirklich meinen – eine Übersetzung aus dem Makler-Deutsch
Ich lese Immobilienanzeigen inzwischen wie einen Code.
Nicht, weil ich besonders schlau bin – sondern, weil ich oft genug auf diese Texte reingefallen bin.
Heute weiß ich:
Eine Immobilienanzeige beschreibt selten die Immobilie.
Sie beschreibt das, was man nicht sagen will.
Hier kommt meine ganz persönliche Übersetzungshilfe.
„Charmant“
Bedeutet fast immer: alt.
Nicht Vintage.
Nicht nostalgisch.
Alt.
„Charmanter Altbau“ heißt in der Praxis:
knarrende Böden, Stromleitungen aus einer Zeit, in der man noch nicht wusste, was WLAN ist, und Fenster, die mehr Gefühl als Dämmung haben.
„Mit Potenzial“
Das ist mein Lieblingswort.
Weil es alles sein kann – und nichts.
„Mit Potenzial“ heißt:
Hier musst du noch richtig Geld reinstecken.
Und zwar nicht ein bisschen.
Potenzial ist das freundlichste Wort für Baustelle.
„Ideal für handwerklich Begabte“
Übersetzung:
Wenn du keinen Handwerker kennst, keine Geduld hast oder zwei linke Hände – lauf.
Ich hab einmal so ein Objekt besichtigt.
Der Makler meinte: „Da kann man viel selbst machen.“
Ich dachte: „Cool, streichen, bisschen Laminat.“
Er meinte: Elektrik, Wasserleitungen, Dach.
„Ruhige Lage“
Kann bedeuten: idyllisch.
Kann aber auch heißen:
- keine Nachbarn,
- kein Bäcker,
- kein Bus,
- kein Handyempfang.
Ich stand mal bei einer Besichtigung mitten im Wohnzimmer und hatte keinen Empfang.
Der Makler nannte es „Entschleunigung“.
Ich nannte es später: Ausschlusskriterium.
„Lichtdurchflutet“
Große Fenster – ja.
Aber oft auch: Sonne von morgens bis abends.
Im Sommer hatte ich in so einer Wohnung 31 Grad.
Ohne Klimaanlage.
„Lichtdurchflutet“ heißt manchmal einfach: Du wohnst in einem Gewächshaus.
„Grundriss mit Charakter“
Das ist gefährlich.
Sehr gefährlich.
Denn Charakter heißt:
- seltsame Durchgangszimmer
- Bad hinter der Küche
- Schlafzimmer nur über Wohnzimmer erreichbar
Kurz: Du wirst beim Einrichten verzweifeln.
„Sofort bezugsfertig“
Heißt oft:
Du kannst einziehen – wenn du sehr genügsam bist. Bezugsfertig ist nicht gleich wohnlich.
Ich hab einmal eine Wohnung gesehen, die war technisch okay – aber optisch irgendwo zwischen 1994 und Behördenflur.
Immobilienanzeigen sind keine Lügen.
Sie sind kreative Auslassungen.
Heute lese ich Anzeigen nicht mehr emotional, sondern analytisch.
Ich höre auf das, was nicht gesagt wird.
Auf Fotos, die fehlen.
Auf Räume, die man nicht zeigt.
Und weißt du was?
Seitdem treffe ich deutlich bessere Entscheidungen.