Kaufen vs. Mieten: Die knallharte Rechnung – Ist „Betongold“ wirklich immer besser?
Heute wagen wir uns in ein Wespennest. Es gibt da diesen einen Satz, den hat jeder von uns schon mal gehört. Wahrscheinlich von den Eltern, oder vom Onkel Werner auf dem 60. Geburtstag:
„Junge, warum zahlst du noch Miete? Das ist doch rausgeschmissenes Geld! Zahl lieber dein Eigenheim ab, dann gehört dir was.“
Klingt logisch, oder? Miete weg = Geld weg. Rate weg = Haus da.
Aber ganz ehrlich? Dieser Satz ist einer der größten Finanz-Irrtümer, die es gibt. Er ist gefährlich vereinfacht.
Ich sehe in meinen Beratungen oft Leute, die sich blind in den Kauf stürzen, weil sie Panik haben, „den Zug zu verpassen“. Heute rechnen wir mal nach, wann sich Kaufen wirklich lohnt – und wann ihr als Mieter vielleicht sogar die lachenden Gewinner seid.
Der Mythos vom „mietfreien Wohnen im Alter“
Fangen wir mit dem Elefanten im Raum an. Das Ziel ist klar: Mit 65 in der abbezahlten Hütte sitzen und keine Miete mehr zahlen. Ein Traum.
Aber „mietfrei“ heißt nicht „kostenlos“.
Als Eigentümer habt ihr einen unsichtbaren Mitbewohner, der ständig Geld will: Die Instandhaltung.
Wenn in deiner Mietwohnung die Heizung kaputt geht, rufst du den Vermieter an. Der flucht kurz, und zwei Tage später ist der Handwerker da. Kosten für dich: 0 Euro.
Wenn in deinem Eigenheim die 25 Jahre alte Ölheizung den Geist aufgibt, rufst du auch den Handwerker an. Und danach die Bank. Denn so eine neue Wärmepumpe inklusive Umbau kostet schnell mal 20.000 bis 30.000 Euro.
Wer nicht jeden Monat konsequent Rücklagen bildet (man sagt so 1,50 bis 2,00 Euro pro Quadratmeter Wohnfläche), den trifft der Schlag.
Das „mietfreie Wohnen“ kostet in der Realität also oft immer noch 300 bis 500 Euro „Hausgeld“ oder Rücklagenbildung im Monat.
Das Geld-Grab: Kaufnebenkosten
Hier ist der Punkt, der die Rechnung für Käufer oft versaut.
Wenn ihr ein Haus für 400.000 Euro kauft, zahlt ihr nicht 400.000 Euro.
Ihr zahlt Grunderwerbsteuer (je nach Bundesland bis zu 6,5 %), Notar und Grundbuch (ca. 2 %) und oft noch Makler (3,57 %).
Das sind locker mal 40.000 bis 50.000 Euro, die einfach weg sind. Puff.
Dafür bekommt ihr keinen einzigen Ziegelstein. Das ist die Gebühr, nur um mitspielen zu dürfen.
Wenn ihr als Mieter diese 50.000 Euro Startkapital nehmt und sie konservativ über 20 Jahre anlegt (sagen wir in einem langweiligen Welt-ETF mit 5-7 % Rendite), kommt da eine gewaltige Summe raus.
Als Käufer müsst ihr mit der Wertsteigerung der Immobilie diese 50.000 Euro Minus erstmal wieder aufholen, bevor ihr überhaupt bei „Null“ seid.
Wichtig: Wer plant, nur 5 Jahre in einer Stadt zu bleiben, für den ist Kaufen fast immer ein Minusgeschäft. Die Kaufnebenkosten fressen jede mögliche Wertsteigerung auf. Kaufen ist ein Marathon, kein Sprint!
Der Lifestyle-Faktor: Freiheit vs. Nestbau
Versteht mich nicht falsch. Ich liebe Immobilien. Ich bin ja nicht umsonst in der Branche. Aber die Entscheidung pro Eigenheim ist oft zu 80 % emotional und nur zu 20 % finanziell rational.
Pro Kaufen:
- Du darfst die Wand rausreißen, wenn sie dich nervt.
- Niemand kündigt dir wegen Eigenbedarf.
- Es ist dein „Nest“. Das Gefühl, im eigenen Garten zu stehen, ist unbezahlbar. Das kann man nicht in Excel berechnen.
Pro Mieten:
- Du bist flexibel. Jobangebot in München oder Hamburg? Kündigen, umziehen, fertig. Mit einem Haus am Bein ist das ein riesiger Klotz.
- Du hast kein Klumpenrisiko. Dein ganzes Vermögen steckt nicht in einem Objekt an einem Standort. Wenn die Gegend kippt (Bau einer Autobahn, Strukturwandel), verliert der Mieter nichts. Der Eigentümer verliert sein Vermögen.
Die „Opportunitätskosten“ (Klingt schlau, ist aber simpel)
Vergleicht Äpfel mit Äpfeln.
Viele vergleichen die Kaltmiete mit der Kreditrate. Das ist Milchmädchen-Rechnung.
Ein fairer Vergleich wäre:
Szenario A (Kaufen): Eigenkapital ist weg + monatliche Rate + Rücklagen für Instandhaltung.
Szenario B (Mieten): Eigenkapital wird angelegt + monatliche Miete + die Differenz zur Kreditrate wird gespart.
Denn oft ist die Kreditrate höher als die Miete für ein vergleichbares Objekt. Wenn der Mieter diszipliniert ist (und das ist das große ABER) und die Differenz investiert, steht er nach 30 Jahren oft vermögender da als der Eigentümer.
Das Problem ist nur: Die wenigsten sind so diszipliniert. Das Haus ist ein „Zwangs-Sparvertrag“. Die Bank zwingt dich zum Tilgen. Das Aktiendepot zwingt dich zu nichts.
Mein Fazit für euch….
Kauft ein Haus, wenn ihr darin leben wollt. Wenn ihr Wurzeln schlagen wollt. Wenn ihr Bock drauf habt, Samstags im Baumarkt zu stehen statt im Café zu sitzen. Kauft es für die Lebensqualität.
Aber kauft es nicht, nur weil ihr glaubt, es sei die einzig wahre Geldanlage. Rechnet spitz. Kalkuliert die Nebenkosten. Und lasst euch nicht von FOMO (Fear Of Missing Out) treiben.
Eine günstige Mietwohnung und ein pralles Aktiendepot können manchmal ruhiger schlafen lassen als ein teures Haus mit einem wackeligen Kredit.