Die tickende Zeitbombe im Keller: Das Zinsänderungsrisiko
Stell dir vor, du hast es geschafft. Das Haus gehört dir (zumindest fühlt es sich so an), die monatliche Rate wird brav abgebucht, und du lebst entspannt vor dich hin. Du hast deinen Kredit für 10 Jahre festgeschrieben, der Zins ist super. Das Leben ist schön.
Und dann, nach genau 10 Jahren, kommt ein Brief von der Bank.
Du machst ihn auf und fällst fast vom Stuhl.
Deine monatliche Rate soll sich plötzlich verdoppeln. Nicht um 50 Euro, sondern um 800 oder 1000 Euro. Jeden Monat.
Horror-Szenario? Leider nein. Das ist bittere Realität für viele, die das Zinsänderungsrisiko unterschätzt haben.
Es ist die klassische Falle der Baufinanzierung: Wir denken an das „Hier und Jetzt“, aber vergessen die gewaltige Summe, die am Ende der Zinsbindung noch übrig bleibt – die sogenannte Restschuld.
Heute zeige ich euch, warum niedrige Zinsen trügerisch sein können und wie ihr verhindert, dass euch die Anschlussfinanzierung das Genick bricht.
Was bedeutet eigentlich „Zinsbindung“?
Wenn ihr einen Kredit aufnehmt, vereinbart ihr mit der Bank einen festen Zins für eine bestimmte Zeit. Meistens sind das 10, 15 oder 20 Jahre. Das nennt man Sollzinsbindung.
In dieser Zeit seid ihr sicher. Egal, was an der Börse passiert, eure Rate bleibt gleich.
Aber – und das ist das große Aber – ein normaler Immobilienkredit ist nach 10 oder 15 Jahren nicht abbezahlt.
Im Gegenteil: Meistens steht da noch ein riesiger Schuldenberg.
Wie ihr in solchen Diagrammen oft seht, sinkt die Schuldenkurve am Anfang nur sehr langsam. Nach Ablauf der Zinsbindung braucht ihr für diesen Restschuldenberg einen neuen Kredit zu den dann aktuellen Konditionen.
Und wenn die Zinsen dann höher sind als heute, habt ihr ein Problem.
Das Rechenbeispiel des Grauens
Ich liebe Zahlen, weil sie nicht lügen. Rechnen wir das mal durch. Ich nehme bewusst ein Beispiel aus der Niedrigzinsphase, um den Schock-Effekt zu zeigen, den viele gerade erleben.
Die Ausgangslage:
- Kreditsumme: 400.000 €
- Zins (damals): 1,0 %
- Tilgung: 2,0 % (Das ist das, was ihr tatsächlich abbezahlt)
- Monatliche Rate: 1.000 € (Super günstig, oder?)
Nach 10 Jahren läuft die Zinsbindung aus. Ihr habt in der Zeit brav gezahlt. Eure Restschuld beträgt aber immer noch ca. 315.000 €. Ihr habt also in 10 Jahren „nur“ 85.000 € Schulden abgebaut.
Der Schock (Anschlussfinanzierung):
Jetzt sind 10 Jahre um. Der Markt hat sich gedreht. Die Zinsen stehen nicht mehr bei 1,0 %, sondern bei 4,0 % (was historisch gesehen völlig normal ist!).
Ihr müsst jetzt die 315.000 € weiterfinanzieren.
Die Bank sagt: „Okay, 4,0 % Zinsen + 2,0 % Tilgung (damit du irgendwann fertig wirst) = 6,0 % Annuität.“
- Neue Restschuld: 315.000 €
- Neuer Zinssatz: 6,0 % (Zins+Tilgung)
- Neue monatliche Rate: 1.575 €
Bämm.
Das sind 575 Euro mehr pro Monat. Über 6.000 Euro mehr im Jahr. Netto!
Für viele Familien ist das der Punkt, wo das Haus verkauft werden muss, weil das Budget das einfach nicht hergibt.
Warum eine niedrige Tilgung gefährlich ist
Der Fehler im Beispiel oben war nicht nur der steigende Zins, sondern die niedrige Tilgung von Anfang an.
Viele lassen sich von niedrigen Raten blenden: „Och, ich mache nur 1% oder 2% Tilgung, dann habe ich mehr Geld zum Leben.“
Das ist verständlich, aber gefährlich.
Je weniger ihr tilgt, desto höher ist eure Restschuld am Stichtag X. Und auf diese hohe Restschuld schlägt der neue, hohe Zinssatz dann voll durch.
Die goldene Regel:
Wenn die Zinsen niedrig sind, müsst ihr die Tilgung hoch ansetzen (mindestens 2,5 % bis 3 %).
Wenn die Zinsen hoch sind, könnt ihr die Tilgung etwas senken, weil ihr durch den hohen Zinsanteil (paradoxerweise) schneller entschuldet seid – aber das ist Stoff für einen Mathe-Exkurs, den ich euch heute erspare.
Merkt euch einfach: Tilgung ist euer bester Schutz gegen Zinserhöhungen. Je mehr ihr jetzt abbezahlt, desto weniger kann euch die Bank in 10 Jahren wehtun.
3 Strategien gegen die Zins-Falle
Wie habe ich das damals gelöst? Ich bin ein Sicherheitsfanatiker. Ich wollte ruhig schlafen. Deshalb hier meine drei Strategien:
1. Lange Zinsbindung wählen
Wenn die Zinsen gerade gut sind, sichert sie euch so lange wie möglich. Ich habe damals 15 Jahre gewählt, manche Banken bieten sogar 20 oder 30 Jahre an.
Das kostet einen kleinen Aufschlag (vielleicht 0,1 % bis 0,2 %), aber ihr erkauft euch damit Planungssicherheit bis zur Rente (fast).
2. Das Volltilger-Darlehen
Das ist die Königsklasse. Ihr vereinbart mit der Bank nicht „10 Jahre Zinsbindung“, sondern ihr sagt: „Ich will einen Zins, der fest bleibt, bis der letzte Cent bezahlt ist.“ Die Rate bleibt also über 25 oder 30 Jahre exakt gleich. Am Ende seid ihr bei Null. Kein Restschuld-Risiko. Keine bösen Briefe. Absolute Sicherheit.
Der Nachteil: Die monatliche Rate ist meist höher und ihr seid weniger flexibel.
3. Sondertilgungen ballern!
Ich habe es schon im ersten Artikel erwähnt: Nutzt euer Sondertilgungsrecht! Jeder Tausender, den ihr heute extra in den Kredit steckt, verringert die Restschuld. Und wisst ihr was? Durch den Zinseszinseffekt spart ihr nicht nur den 1000er, sondern auch alle Zinsen, die ihr in den nächsten Jahren darauf gezahlt hättet. Das läppert sich gewaltig.
Mein „Hack“: Wenn ich im Jahr Geld übrig hatte (Steuerrückzahlung etc.), habe ich es sofort auf das Kreditkonto überwiesen. Weg ist weg. Und die Restschuld sinkt. Das Gefühl, wenn die Zahl auf dem Kontoauszug kleiner wird, ist besser als jedes neue Gadget.
Schaut in die Glaskugel (oder rechnet einfach)
Lasst euch von der Bank unbedingt einen Tilgungsplan bis zum bitteren Ende ausdrucken. Schaut nicht auf die Spalte „Rate heute“, sondern auf die Zeile „Restschuld am Ende der Zinsbindung“. Schreibt diese Zahl dick auf einen Zettel und fragt euch: „Was mache ich, wenn die Zinsen dann bei 5, 6 oder 7 Prozent stehen? Kann ich mir das leisten?“
Wenn die Antwort „Nein“ ist, müsst ihr an der Finanzierung schrauben:
- Mehr Eigenkapital?
- Höhere Tilgung?
- Günstigeres Haus?
Klingt hart, aber lieber jetzt ehrlich sein, als in 10 Jahren zwangsversteigert zu werden.
Wie funktioniert dieser ominöse Score eigentlich? Warum hat mein Handyvertrag Einfluss auf meinen Hauskredit? Und wie ich meinen Score vor dem Bankgespräch noch schnell „gepimpt“ habe, verrate ich euch dann.